1973 führten die beiden Psychiater Eckart Fuhrmeister und Marie-Luise Wiesenhütter eine Studie unter 208 Musikern durch. Es handelte sich bei den Musikern um Berufsmusiker, die in Orchestern musizierten. Die eine Gruppe spielte vorwiegend klassische Musik sowie Opern und Operetten. Die anderen musizierten in Orchestern, die hauptsächlich zeitgenössische Musik spielten. Die Musiker wurden von den beiden befragt sowie medizinisch untersucht.
Die Untersuchungsergebnisse waren überraschend und erschreckend. Die Musiker der zeitgenössischen Orchester zeigten einen deutlich schlechteren körperlichen und seelischen Gesundheitszustand als die Musiker der klassischen Orchester. Beruhigungs-, Schmerz- und Schlafmittel wurden unter ersteren fast völlig selbstverständlich regelmäßig eingenommen. Besonders erschreckend war, dass Musiker, die neu in das zeitgenössische Orchester eintraten, binnen kürzester Zeit über Magen-Darm-Erkrankungen, Schlafstörungen, Kopfschmerzen und Nervosität klagten.
Die Teamstruktur und Stimmung in den Orchestern war in etwa vergleichbar, es lag also nicht an einer höheren Mobbingrate oder ähnlichem. Hast du eine Idee, wodurch dieser Unterschied zu Tage treten könnte? Warum waren die beiden Musikergruppen in Bezug auf ihre körperliche und psychische Gesundheit so verschieden?
Fuhrmeister und Wiesenhütter führten den Unterschied auf die gespielte Musik zurück. Klassische Musik, Opern und Operetten haben vorwiegend harmonische Tonabfolgen, während es in der zeitgenössischen Musik deutlich mehr Dissonanzen gibt. Sie folgerten daraus, dass ein dauerhaftes Erleben von Dissonanzen uns langfristig krank macht.
Auf die heutige Zeit übertragen ist das Studienergebnis im Alltag deutlich zu sehen. Welche Musik versetzt uns automatisch in eine gute Stimmung? Typische Sommerhits sind harmonische Latin-Pop-Stücke. Auch Weihnachtslieder haben durchgängige eine harmonische Tonalität. Und diese wirken automatisch auf unsere Stimmung und bringen uns in einen Wohlfühlmodus. Auch typische Partymusik hat keine Dissonanzen in der Melodie.
Das Studienergebnis hat mich erschreckt. Denken wir das ganze einmal weiter. Musik ist nichts anderes, als eine besondere Form der Kommunikation. Das heißt, dass auch ein Umfeld mit vorwiegender oder dauerhafter „disharmonischer“ Kommunikation den gleichen Effekt hat. Das heißt konkret, wenn in meinem Team am Arbeitsplatz oder in meinem Freundeskreis eine hohe Disharmonie herrscht, wenn viel geschimpft, gelästert und sich beschwert wird, hat das einen Einfluss auf meine psychische Gesundheit, das ist durchaus logisch. Aber es hat auch einen direkten Einfluss auf mein körperliches Wohlbefinden. Auch wenn ich versuche, mich davon zu distanzieren und nicht mitmache.
Warum ist das so? Wir besitzen in unserem Gehirn sogenannte Spiegelneuronen, deren Aufgabe ist, dass wir das Verhalten unseres Gegenübers imitieren – daher des Name „Spiegel“-Neuronen. Diese sind essentiell, damit wir lernen. Von Kindern kennen wir, dass sie durch Nachahmung lernen, das ist bei Erwachsenen jeden Alters auch so. Außerdem befähigen uns diese Spiegelneuronen zur Empathie. Denn da wir uns quasi unbewusst in den Gefühlszustand des Anderen hineinversetzen, können wir über das Nachempfinden seiner Erzählung verstehen, was er fühlt und passend reagieren.
So wertvoll dies für uns ist, so gefährlich ist es, wenn wir uns dauerhaft in einem falschen Umfeld bewegen. Ihr kennt das vielleicht, wenn ihr viel Zeit mit jemandem verbringt, der bspw. Ein Wort oft verwendet, das ihr nicht mögt. Und obwohl ihr das Wort nicht mögt, werdet ihr nach einigen Wochen feststellen, dass ihr es ebenfalls benutzt.
Wir gleichen uns somit permanent an unser Umfeld an, spiegeln die Personen die uns umgeben und handeln entsprechend diesem Einfluss. Jim Rohn hat dies pointiert auf den Punkt gebracht, als er sagte „du bist der Durchschnitt der fünf Menschen, mit denen du dich die meiste Zeit umgibst“.
Wie ist die Harmonie in deinem „Orchester“, in dem du täglich spielst? Mit welchen Menschen umgibst du dich? Wie ist die Stimmung in deinem Team am Arbeitsplatz? Und über was wird in deinem Freundeskreis hauptsächlich geredet? Redet ihr über Erfolge und Freuden, die ihr erlebt habt? Oder habt ihr eher einen Wettkampf darin, wem es schlechter geht, wer mehr leidet?
Ein paar Disharmonien oder schräge Töne ab und zu, sind völlig normal und gehören durchaus auch in der klassischen Musik dazu. Aber wenn Disharmonie ein dauerhafter Zustand ist, dann gilt es zu handeln. Denn selbst wenn du dich von den Disharmonien in deinem Umfeld nicht beeinflussen lassen willst, haben diese durch deine Spiegelneuronen einen Einfluss auf dich, deine Stimmung und deine Gesundheit und werden dich schädigen, wenn du dich langfristig diesen aussetzt.
Daher: Wenn du dich in einem Umfeld befindest, dass für dich die falsche Musik spielt, das sich in deinen Ohren disharmonisch anhört, dann sei es dir selbst wert und wechsle das Orchester!